010: Humus
Und damit meine ich die schwarze, üppige Erde unter der dichten Herbstlaubschicht, und nicht den körnigen Kichererbsenaufstrich...
An Humus denke ich, wenn ich die Arbeitsaufgaben dieser Tage reflektiere, denn in diesen Tage brüten sechs zukünftige Produktionen im Verborgenen, genauer gesagt, unter meiner Schädeldecke, vor sich hin. Das ist immer eine aufregende Phase, dieses Konzeptemachen. Nicht ganz stressfrei: Wie so oft, fallen alle Deadlines in die selben Wochen zusammen, und so jongliere ich im Kopf die Idealbesetzung von Stück A, die Motivation des Protagonisten B, das Budget von Produktion C, den Einsatz von Puppen bei Ausstattung D, den Spielort der möglichen Wandertheaterproduktion E und die Relevanz der Gralslegende für Stückentwicklung F. So mailt und skypt und bespricht man manchmal sogar live mit den Kollegen aus den Produktionsteams; die Bücher stapeln sich um den Schreibtisch; ich schaufle mir täglich dutzende Ideen in den Kopf in der Hoffnung, dass, so gut gedüngt, die kreative Saat im neuen Jahr aufgehen möge.
Wir waren gerade ein paar Tage in London, wo wir neben einer wunderbaren Paul Klee Ausstellung im Tate Modern ein paar wunderbare Theatererlebnisse verbuchen durften: Tori Amos' neues Musical "The Light Princess" am National Theatre mit der umwerfenden Rosalie Craig als schwebende Protagonistin; die wunderbar witzige Satire "The Book of Mormon" im West End; "The Drowned Man", das dunkle Woyzeck-Labyrinth von Punchdrunk; und "The Scottsboro Boys", das brillante Letztwerk von Kander & Ebb im Young Vic. Viele Bilder, die sich direkt ins Unterbewusstsein katapultieren und dort im Verborgenen ihre alchemistischen Verwandlungen anstellen. Alles Dünger, aus dem neue Bilder wachsen, wie der Nachtwald Perelín in Michael Endes "Unendlicher Geschichte".
Teil Eins unserer "Unendlichen Geschichte" am Reniassancetheater/Theater der Jugend in Wien läuft im übrigens nur noch bis Montag, 18.11! Also: letzte Chance, diese schöne Produktion zu sehen. Ein Fantasiereise ins Licht, jetzt, wo die Tage dunkler werden. Ich wünsche euch viele neue und bereichernde Bilder im Kopf.
Euer Henry